Predictive Staffing im Krankenhaus bedeutet, Personalplanung vom reaktiven Jonglieren in einen datengetriebenen, prüfbaren Prozess zu überführen. Im gemeinsamen Projekt von Fraunhofer IKS, ATOSS und der Universitätsmedizin Mainz entsteht dafür ein System, das den Bedarf auf Stationsebene voraussagt und daraus konkrete Besetzungsvorschläge ableitet.
Die Grundlage bilden historische Dienst- und Ausfallpläne, Qualifikationsmatrizen, PPR-2.0-Einstufungen sowie Belegungs- und Leistungsdaten aus dem KIS.
Das Modell erkennt wiederkehrende Muster (Wochentagseffekte, Saisonalitäten, typische Peak-Zeiten) und berechnet daraus Forecasts pro Schicht mit einem realistischen Unsicherheitsband. Darauf aufbauend optimiert ein Planungs-„Co-Pilot“ die Besetzung unter harten Nebenbedingungen wie Arbeitszeitgesetz, Tariflogik, Mindestbesetzung und Skill-Mix sowie unter weichen Präferenzen wie Wunschdiensten.
Wichtig: Die KI unterstützt, sie entscheidet nicht allein. Leitungen können Vorschläge jederzeit anpassen, übersteuern und begründen, inklusive vollständigem Audit-Log.
Die Einführung folgt pragmatisch in Stufen. Zu Beginn läuft das System im „Shadow Mode“. Es erstellt Prognosen und Vorschläge, ohne in die reale Planung einzugreifen. So lässt sich die Prognosegüte gegenüber dem Status quo messen und iterativ verbessern. Erst wenn die Ergebnisse stabil sind und die Teams Vertrauen gefasst haben, wird in einen Co-Pilot-Betrieb gewechselt, in dem Vorschläge per Klick übernommen oder angepasst werden. Später sind Teil-Automatisierungen möglich, etwa für standardisierte Schichten oder bekannte Musterphasen, während komplexe Konstellationen weiterhin durch die Leitungen entschieden werden. Diese schrittweise Erhöhung des Automatisierungsgrads ist zentral für Akzeptanz und Sicherheit im Betrieb.
Technisch zählt vor allem saubere Datenarbeit. Kliniken profitieren dann am stärksten, wenn 12 bis 24 Monate Historik konsistent vorliegen, PPR-2.0-Einstufungen eindeutig gemappt sind und Schnittstellen zu WFM, KIS und HR zuverlässig funktionieren. Integriert wird idealerweise über standardisierte APIs; Rollen- und Rechtemodelle sorgen dafür, dass nur autorisierte Personen auf personenbezogene Planungsdaten zugreifen.
Aus DSGVO-Sicht gehören Datenminimierung, klare Speicherfristen, Protokollierung und eine Datenschutz-Folgenabschätzung zum Pflichtprogramm. Ebenso wichtig ist Fairness: Das System muss regelmäßig auf Verzerrungen geprüft werden, damit etwa Teilzeitkräfte, Beschäftigte mit Fürsorgepflichten oder Mitarbeitende in besonderen Schutzsituationen nicht systematisch benachteiligt werden.
Der Mehrwert zeigt sich an drei Fronten:
1. Planbarkeit.
Peaks werden früher sichtbar, Float-Pools lassen sich vorausschauend disponieren, Übergaben stabilisieren sich.
2. Nachweisführung.
PPR-2.0-Vorgaben fließen direkt in Prognose, Planung und Reporting ein; die Dokumentation wird konsistent und revisionssicher, statt im Nachgang mühsam zusammengetragen zu werden.
3. Team-Entlastung.
Weniger Ad-hoc-Feuerwehr und Schicht-Tetris bedeutet mehr Zeit für Führung, Qualitätsarbeit sowie Patientenkontakt und in der Folge eine spürbar höhere Zufriedenheit im Team.
Damit der Effekt messbar bleibt, arbeitet das Projekt mit klaren Kennzahlen. Für die Prognose zählen Fehlermaße wie MAE oder MAPE je Station und Schicht sowie der Anteil der Vorhersagen innerhalb des Konfidenzintervalls. In der Planung sind Plan-Ist-Abweichungen, kurzfristige Unter- oder Überbesetzungen und die Geschwindigkeit, mit der Lücken geschlossen werden, aussagekräftig. Auf Team-Ebene lohnt der Blick auf Diensttauschraten, unplanmäßige Überstunden und den Erfüllungsgrad von Wunschdiensten. Für Compliance sind Vollständigkeit und Zeit bis zum PPR-Nachweis entscheidend, inklusive nachvollziehbarer Begründungen, wenn Vorschläge bewusst übersteuert wurden.
Kurz gesagt: KI-gestützte Bedarfsprognosen und ein regelgeleiteter Planungs-Co-Pilot verwandeln Personaleinsatzplanung von Handarbeit unter Zeitdruck in einen transparenten, steuerbaren Prozess. Kliniken gewinnen Flexibilität und Nachweissicherheit, Teams gewinnen Luft und die Versorgung gewinnt an Stabilität.